The quieter you become,
the more you can hear.
(Ram Dass)
Die Freiarbeit hat viele Gesichter, verschiedenste Definitionen und unterschiedlichste Philosophien. Mal wird zB. über ein Belohnungssystem frei mit den Pferden gearbeitet, oder mit Druck, und es wird auch dressiert - in der Freiheitsdressur. Hier erledigen Pferde ihnen gestellte Aufgaben auf Abruf oder per Signal. Hier muss jeder den Weg finden, der ihm gefällt. Noch schöner finde ich es natürlich, wenn er sich auch für die Pferde gut anfühlt. Ich kann Euch hier nur von meiner eigenen Art der Freiarbeit erzählen, eines von vielen Gesichtern.
Mir hat die freie Arbeit mit den Pferden seit jeher fasziniert. Meine ersten beiden Pferde hatte ich in einer Zeit, in der es noch kein Internet gab, es fehlte also eine schöne Möglichkeit, sich darüber informieren zu können. In den Ställen, in denen ich damals war, hat sich niemand damit beschäftigt, es wurde nur geritten - so war es damals. Was ich auf Shows davon sehen konnte, faszinierte ich einerseits, aber zugleich fühlte es sich andererseits nicht schön an. Mir gefielen die Gesichter der Pferde nicht. Und so begann ich damals zu suchen. Mit meinem Justin, der ja eigentlich mein tolles Turnierpferd werden sollte ;)
Recht lang hielt die Suche nicht an. Ich konnte zwar kleine Erfolge der freien Mitarbeit von Justin verbuchen, aber ich stand mir, und vor allem Justin, damals noch viel zu sehr mit meinem falschen Ehrgeiz und meiner Ungeduld im Wege. Ich musste feststellen, dass es eben keinen Zauberschlüssel gab, der die Pferde frei tanzen und schöne Gesichter haben ließ - der Schlüssel war ich, und der musste noch viel lernen, um "zaubern" zu können - das musste ich mir eingestehen.
Viele Jahre später bekam ich zwei Pferde, die mehr oder weniger unreitbar waren. Obendrauf ein junges Pferd, das noch nicht geritten war. Diese drei Pferde wurden meine Wegbereiter für all die Arbeit am Boden. Die sinnvolle Longenarbeit, die Handarbeit, die Arbeit am langen Zügel, an der Doppellonge, die Zirzensik, und auch die Freiarbeit. Mit ihnen begann ich, mich frei zu bewegen. Sie lesen zu lernen. Mich spiegeln zu lassen. Jeden einzelnen Tag studierte ich sie aufs Neue. Ihre Sprache, ihre Reaktionen auf mich, ihre Verhaltensweisen mir gegenüber, unzählige Stunden verbrachte ich die folgenden Jahre mit ihnen auf dem Reitplatz. Es war wunderschön zu beobachten, wie sehr sie sich mit jedem Moment mehr öffneten, in dem ich mich mehr und mehr öffnete. Sie kommunizierten plötzlich so deutlich mit mir. Stille Gespräche, zauberhaft. Ich wurde fast süchtig nach dem Spiegel, den sie mir vorhielten. Wieviel ich darin über mich lesen konnte, war unfassbar. Nicht immer schön und leicht, aber unglaublich ehrlich und lehrreich. Und das ist es immer noch.
Diese freie Arbeit, das miteinander Sein, ist für mich nicht mehr wegzudenken. Es ist eine Freundschaft auf schönstem Niveau, denn in der Welt der Pferde kann man nicht unehrlich sein, sie spiegeln alles. Jeden einzelnen Gedanken, jede einzelne Emotion. Sie zeigen, ob sie mit mir arbeiten wollen, oder nicht. Wenn nicht, weiß ich, wo ich nach dem Grund zu suchen habe. Bei mir.
Die Freiarbeit, wie ich sie für mich gefunden habe, ist auf meinem Weg mit den Pferden nicht mehr wegzudenken. Es ist nichts, was man mit Technik lernen kann. Vielmehr muss man für die gnadenlose, aber so liebevolle Ehrlichkeit der Pferde offen sein und sich auf sie einlassen wollen. Bereit sein, in seinen eigenen Spiegel zu schauen. Denn darin befindet sich der Zauberschlüssel zu ganz vielem, nicht nur innerhalb der Pferdewelt.
Diese, meine Art, der Freiarbeit unterrichte ich in Kursen. Ich kann an einem Wochenende jedoch nur kleine Türen öffnen, die Gespräche zwischen Euch und Euren Pferden übersetzen und einen Weg weisen, wie es weiter gehen kann. Den Rest dürft Ihr selbst suchen. In Euch, mit Hilfe Eurer Pferde.